Darf ich mein Handy am Arbeitsplatz aufladen?Zum unbefugtem Entziehen von Energie gemäß § 248c Srafgesetzbuch
Schnell mal das Handy zwischendurch am Arbeitsplatz aufladen. Ist das erlaubt? Rechtsanwalt Jan Böhm erläutert diese Rechtsfrage auf refrago.de
Nahezu jeder von uns hat stets ein Handy bei sich. So auch bei der Arbeit. Und das Mobiltelefon benötigt dann auch irgendwann wieder Strom. Also einfach das Ladekabel am Arbeitsplatz in die Steckdose stöpseln und aufladen? Nicht unbedingt eine gute Idee. Denn das kann arbeitsrechtliche oder sogar strafrechtliche Folgen mit sich bringen, da der Strom aus der Steckdose am Arbeitsplatz ein Betriebsmittel ist. Wenn dieser ohne Erlaubnis entwendet wird, macht sich der Arbeitnehmer genaugenommen sogar strafbar. Es kommt auf den Einzelfall und darauf an, was im Arbeitsvertrag vereinbart ist.
Strafrechtlich „Stromklau“
Strafrechtlich gesehen kann das Aufladen des Smartphones am Arbeitsplatz ohne Erlaubnis des Arbeitgebers eine Straftat in Gestalt von „unbefugtem Entziehen von Energie“ nach § 248c StGB darstellen. Umgangssprachlich ausgedrückt: „Stromklau“.
Denn der Strom am Arbeitsplatz gehört in der Regel als Arbeitsmittel dem Arbeitgeber. Wenn man also ungefragt sein Privathandy auflädt, entwendet man eine fremde bewegliche Sache.
Strafrechtlich ausgedrückt liegt unbefugtes Entziehen von Energie dann vor, wenn mittels eines Leiters, der zu ordnungsgemäßen Entnahme von Energie aus der Anlage nicht bestimmt ist – im Falle des Handys also eines Ladekabels – Strom entnommen wird.
Das betrifft übrigens neben dem Handy auch alle anderen privaten Elektrogeräte, die der Arbeitnehmer bei der Arbeit nutzt, also auch Ventilatoren, Radio, Kaffeemaschinen, Wasserkocher, etc.
Nun dürfte das Aufladen des Handys selten wirklich eine Strafverfolgung nach sich ziehen. Denn zum einen handelt es sich um ein Antragsdelikt, das heißt, die Sache wird nicht automatisch von Amts wegen strafrechtlich verfolgt, sondern nur dann, wenn der Geschädigte – also der Arbeitgeber – einen Antrag auf Strafverfolgung stellt. Selbst wenn ein solcher Antrag gestellt würde, dürfte in solchen Fällen das Verfahren meistens wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.
Denn ein einmaliges Aufladen des Handys dürfte nur sehr wenig Strom zu einem Bruchteil eines Centbetrages brauchen.
Arbeitsrechtlich von Abmahnung bis Kündigung
Allerdings, auch wenn es als eine Bagatelle erscheint, es geht auch ums Prinzip. Und hier kommt der arbeitsrechtliche Aspekt des „Stromklaus“ ins Spiel.
Denn wenn ein Arbeitnehmer das Eigentum oder das Vermögen seines Arbeitgebers verletzt, kann dies eine Abmahnung auslösen oder gar einen wichtigen Grund für eine ordentliche Kündigung oder gar fristlose Kündigung darstellen.
Bagatelle
Dabei sollte sich der Arbeitnehmer nicht darauf verlassen, dass der benötigte Strom für das Aufladen einen relativ geringfügigen Umfang haben und damit der wirtschaftliche Schaden mitunter sehr gering sein dürfte.
Denn auch bei Bagatelldelikten geht das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich davon aus, dass selbst der kleinste Diebstahl ein Grund für eine fristlose Kündigung sein kann. [BAG – 2 AZR 36/03 –].
Aufgrund des Arbeitsvertrages habe der Arbeitnehmer eine Nebenpflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber und müsse besonders auf dessen Interessen Rücksicht nehmen. Diese Verpflichtung beinhalte zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer breche durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers.
Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet.
[BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03]
Der Abmahnungs- bzw. Kündigungsgrund liegt also darin, dass der Arbeitnehmer das Vertrauen des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer werde keine Straftaten zulasten des Arbeitgebers begehen, belastet oder gar erschüttert.
Abwägung
Entsprechend sah es auch ein Arbeitgeber in einem Fall, den das Arbeitsgericht Oberhausen zu entscheiden hatte (Arbeitsgericht Oberhausen, 4 Ca 1228/09).
Hier hatte ein Arbeitnehmer, der dem Unternehmen seit 14 Jahren angehörte, sein Mobiltelefon im Betrieb des Arbeitgebers ohne dessen ausdrückliche Genehmigung an einer verdeckten Stelle aufgeladen. Der Wert des Stroms betrug 0,014 Cent.
Der Arbeitgeber sah im Verhalten des Arbeitnehmers, insbesondere in der Heimlichkeit des Aufladens, ein vorsätzliches Vermögensdelikt zu seinen Lasten und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos.
Das Verfahren endete allerdings mit einem Vergleich, so dass das Arbeitsgericht hierzu keine Entscheidung zu veröffentlichen hatte. Ob das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung für rechtmäßig gehalten hätte ist allerdings fraglich.
Denn wie bei jedem Kündigungsgrund müssen im Einzelfall die Interessen beider Seiten abgewogen werden, ob eine Weiterbeschäftigung oder zumindest die Einhaltung der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber zumutbar ist oder ob eine Abmahnung ausreichen würde, das vertragswidrige Verhalten zu beenden. Hier spielt es dann natürlich auch eine Rolle, wie schwerwiegend der Vertrauensbruch war, das heißt, welches Ausmaß der Stromentzug hatte und ob es bereits weitere Vertrauensbrüche im Arbeitsverhältnis gab oder ob das Arbeitsverhältnis schon lange unbeanstandet bestand.
Kündigung ist „ultima ratio“, das letzte Mittel
Wenn es wegen des unbefugten Aufladen des Handys vor Gericht gehen sollte, dürften die Arbeitsgerichte meistens zunächst eine Abmahnung als milderes Mittel vor einer Kündigung sehen. Der Arbeitgeber soll vor einer Kündigung klar stellen, dass er das Verhalten der Arbeitnehmer als Pflichtenverstoß ansieht. Die Kündigung darf immer nur das letzte Mittel sein.
Wurde jedoch wegen des unerlaubten Handyaufladens, eine Abmahnung erteilt und der Arbeitnehmer lädt sein Handy trotzdem auf, kann ihm im Wiederholungsfall deswegen auch eine Kündigung drohen, wenn deutlich wird, dass der Arbeitnehmer trotz Kenntnis des Pflichtenverstoßes sein Verhalten fortsetzen wird.
Erlaubnis oder Duldung
Bei der Frage, ob die Stromentnahme durch das Aufladen des Handys ein Pflichtenverstoß ist, muss natürlich auch berücksichtigt werden, ob das Aufladen vielleicht sogar vom Chef erlaubt oder geduldet ist. Denn die Nutzung des privaten Handys während der Arbeitszeit, sowie das Aufladen könnten im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein. In dem Fall läge kein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß vor. Wenn dagegen Nutzung und Aufladen des Privathandys ausdrücklich untersagt ist, wiegt das natürlich schwerer, als wenn es keine Regelung gibt und eigentlich keiner im Betrieb so richtig weiß, ob es erlaubt ist. Zudem ist zu beachten: Wenn der Arbeitgeber mitbekommt, dass seine Arbeitnehmer ständig ihre Privathandys und andere Geräte an betriebseigenen Steckdosen aufladen und er nichts dagegen unternimmt, duldet er die Stromentnahme möglicherweise konkludent. Von diesen Grundsätzen ging auch das Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) in seinem Urteil vom 2. September 2010 aus, in dem es um das Aufladen eines Elektrorollers mit Strom in einem Wert von ca. 1,8 Cent ging.
Auch die Verletzungshandlung von Sachen von geringem Wert sei an sich als Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Im Rahmen der Interessenabwägung sei es aber zu berücksichtigen, wenn im Betrieb des Arbeitgebers der private Verbrauch von Strom gängig ist, das heißt zahlreiche privat mitgeführte elektronische Gegenstände betrieben werden, wie Kaffeemaschinen, Radios und Mikrowelle und darüber hinaus Handys aufgeladen werden.
Da ein Stromverbrauch zu privaten Zwecken im streitgegenständlichen Betrieb unterhalb einer bestimmten Schwelle toleriert wurde, sah das Landesarbeitsgericht in diesem Fall eine Abmahnung als ausreichend und die ausgesprochene fristlose Kündigung als unrechtmäßig an (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 2. September 2010 – 16 Sa 260/10 –).
Duldet der Arbeitgeber also das Aufladen des Privathandys mit betriebseigenem Strom, kann er nicht ohne Vorwarnung die Stromentnahme plötzlich als Pflichtenverstoß werten und deswegen eine Kündigung aussprechen.
Der Arbeitgeber kann aber das von ihm bemerkte Aufladen des Handys jederzeit für die Zukunft untersagen, ohne dies begründen zu müssen. Allerdings sollte dies dann natürlich für alle Arbeitnehmer gleichermaßen gelten und keinesfalls als Maßregelung eines einzelnen Arbeitnehmers eingesetzt werden. Bei der Untersagung muss der Arbeitgeber nicht einmal den Betriebsrat beteiligen. So hat das Bundesarbeitsgericht im Falle einer Untersagung der Nutzung des Privathandys während der Arbeitszeit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gesehen (BAG, Beschluss vom 17. Oktober 2023 – 1 ABR 24/22).
Bei mutmaßlicher Duldung, kann fristlose Kündigung unbegründet sein
In einem Fall, den das Arbeitsgericht Duisburg mit Urteil vom 10. März 2023 [- 5 Ca 138/22 –] entschieden hat, sah das Arbeitsgericht die Kündigung entsprechend als unrechtmäßig an.
Ein Arbeitnehmer hatte sein Hybridauto mindestens einmal, vermutlich aber mehrmals, an einer 220 Volt Steckdose in den Räumen der Arbeitgeberin aufgeladen. Dies verstieß sogar gegen die Hausordnung der Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin hatte das Aufladen von Privathandys, Tablets, E-Rollern, E-Bikes und anderen privaten Elektrogeräten über längere Zeit geduldet. Auf das Aufladen des Hybridautos hatte sie aber mit einer fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung reagiert.
Das Arbeitsgericht sah im Aufladen zwar durchaus grundsätzlich einen wichtigen Kündigungsgrund. Im Rahmen der Interessenabwägung wertete das Gericht jedoch die Duldung des Aufladens kleinerer Elektrogeräte zumindest als große Unsicherheit darüber, ob auch ein Aufladen eines Hybridautos erlaubt oder verboten sei. Auch wenn es sich bei einem Hybridauto um ein größeres elektronisches „Gerät“ als bei einem Handy handelte, habe es dem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres klar sein müssen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten nicht dulden und den Arbeitsvertrag kündigen würde. So hätte es vor einer Kündigung einer Abmahnung bedurft, um klarzustellen, dass bei diesem konkreten Verhalten von einem Pflichtenverstoß ausgegangen werde.
Der Streit ging zwar noch eine Instanz weiter. Jedoch verglichen sich die Parteien im Rahmen der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf [- 8 Sa 244/23 -] wie kürzlich in einer Pressemitteilung veröffentlicht wurde.
Diensthandy: Erlaubnis
Anders zu beurteilen ist es natürlich, wenn der Arbeitnehmer ein Diensthandy benutzt. Dann dürfte die betriebliche Stromnutzung wohl impliziert sein. Denn der Arbeitgeber muss üblicherweise auch für die Betriebsbereitschaft des Handys als Arbeitsmittel Sorge tragen und ein Aufladen ermöglichen, es sei denn dies ist ausdrücklich im Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Dann könnte allerdings auch eine finanzielle Kompensation vereinbart sein, um den Arbeitnehmer nicht unangemessen zu benachteiligen.
Etwas schwieriger könnte es sein, wenn der Arbeitnehmer sein Privathandy, geduldet, möglicherweise gar auf Anordnung des Chefs, auch dienstlich nutzt. Dann könnte man ohne ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers von einem stillschweigendem Einverständnis des Arbeitgebers, das Handy mit betriebseigenem Strom aufzuladen, ausgehen. Wünscht der Arbeitgeber nicht, dass der Arbeitnehmer zu Dienstzwecken sein Privathandy mit Betriebsstrom lädt, muss er dies klarstellen.
Es würde allerdings unbillig erscheinen, wenn der Arbeitgeber einerseits von der Nutzung des Privathandys des Arbeitnehmers im Rahmen dessen Tätigkeit profitiert und andererseits nicht einverstanden wäre, wenn das Handy mit Betriebsstrom geladen würde. Es kommt halt darauf an, ob der Arbeitgeber weiß, dass das Privathandy zur arbeitsvertraglichen Tätigkeit genutzt wird und dies duldet.
Am Eindeutigsten ist es natürlich, wenn man den Chef vor dem ersten Aufladen des Privathandys fragt, ob er dies auch erlaubt. Denn ein Verhalten, das erlaubt ist, stellt keinen Pflichtenverstoß dar. Solche Erlaubnisse können auch im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen festgelegt sein.
Fazit:
Ist das Aufladen von privaten Handys im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder anderweitig ausdrücklich erlaubt, kann man dies tun. Ungefragtes, gar heimliches Aufladen des Privathandys kann dagegen einen arbeitsrechtlichen Pflichtenverstoß darstellen und eine Abmahnung oder Kündigung nach sich ziehen. Wurde eine Kündigung ausgesprochen, kommt es immer auf die Interessenabwägung im Einzelfall an. Wenn das Aufladen des Privathandys nicht ausdrücklich erlaubt ist, empfiehlt es sich, den Chef zu fragen, ob es in Ordnung ist, das Handy am Arbeitsplatz aufzuladen. Keinesfalls sollte man das Aufladen heimlich vornehmen. Wenn es ausdrücklich untersagt ist, ist es sicherer, sich eine Powerbank von zu Hause mitzunehmen und das Privathandy darüber aufzuladen.
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Ja, wenn das so ist mit der Stromentnahme, dann sollte man auch besser sein Toiletten-Papier zur Arbeit mitbringen, falls man mal während der Arbeitszeit ‚muss‘. Und dann ist diese Zeit dafür wohl auch nachzuarbeiten, sonst wird dem Arbeitgeber ja Zeit gestohlen.